Die Aufnahmen des Arbeiterkulturhauses ZIL (ЗИЛ) in einem Moskauer Außenbezirk sind im Winter letzten Jahres entstanden und wurden diesen März im Rahmen eines Partnerprojektes zwischen Moskauer Kulturinstitutionen und Wien dort ausgestellt. Das Moskauer Arbeiterkulturhaus ZIL war ursprünglich Teil eines architektonischen Ensembles der legendären russisch, später sowjetischen Lastfahrzeugfabrik ZIL, die bereits in vorrevolutionärer Zeit gegründet wurde und bis 2013 Autos und Zubehör produzierte. Oláhs Fotografien zeigen eine nackte, ungeschönte Architektur, Innen- und Außenansichten, die in winterlich weichem Licht mit einer analogen Großformatkamera aufgenommen wurden. Oláh arbeitet vorzugsweise möglichst nah am Objekt, er verwendet dabei keine künstlichen Lichtquellen und kommt auch ohne Retuschen aus. So strahlen die Fotos einen hohen Authentizitätsgrad aus, ohne dabei ins allzu Auratische zu kippen.
Das multifunktionelle Arbeiterkulturhaus ZIL ist ein kongenialer Bau der konstruktivistischen Sowjetmoderne und ist das größte seiner Art, die Arbeiterklubs der 1920er-Jahre waren dabei wesentlich kleiner. Einige wenige stehen heute noch, sind jedoch adaptiert. Das ZIL hingegen ist in seiner ursprünglichen Form und Funktion zum Großteil erhalten geblieben. Der riesige Komplex, der von den Vesnin-Brüdern unter Aleksander Vesnin in den 1930er-Jahren geplant und errichtet wurde, umfasst mehrere Vortragssäle, eine Bibliothek, Ausstellungsräume sowie kleinere Studios, die heute zum Beispiel als Tanz- oder Yogasäle genutzt werden und den Charme einer verblassten Ära tragen. Das Gebäude beeindruckt durch seine großzügigen Dimensionen und Proportionen, bei dem Licht, metaphorisch und real umgesetzt, eine wesentliche Rolle spielt. So trägt das Deckensegment der Eingangshalle zum rückwärtigen Park hin eine Sonne im Strahlenkranz als Symbol für das neue Zeitalter der sozialistisch-kommunistischen Gesellschaft, das in der vorstalinistischen Ära noch gerechtfertigt schien. Avantgardearchitektur wurde danach unterbunden.
Stefan Oláh hat in statischen, ruhigen Aufnahmen die besondere Stimmung eingefangen, die heute noch an diesem Ort besteht. Mit Blick und Gespür für die originalen Details – wie beispielsweise einer Wendeltreppe zum (heute nicht mehr öffentlich zugänglichen) Planetarium – erwecken sie die historische Dimension dieses konstruktivistischen Kulturbaus, ohne die Zeitsprünge zu kaschieren.
Text: Patricia Grzonka